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Das spezialisierte Verdauungssystem des Pferdes und seine Tücken

Pferde zeichnen sich durch die Besonderheit aus, einen relativ kleinen Magen zu haben und den größten Teil ihrer Verdauung im Dickdarm zu absolvieren. Weiterhin haben sie im Gegensatz zu anderen Tierarten einen funktionellen Blinddarm. Da sie sich nicht übergeben oder aufstoßen können, kommt es bei Fehlern in der Nahrungsaufnahme durch Aufgasungen sehr rasch zu schmerzhaften Koliken, die lebensbedrohlich enden können.

Das Verdauungssystem des Pferdes

Der Magen:

Der Magen eines Dickdarmverdauers ist gemessen an der Körpergröße sehr klein und kaum dehnbar. Der Pferdemagen hat ca. 18 Liter Fassungsvermögen. Selbst bei übermäßiger Befüllung und eventueller Gasbildung, kann sich der Magen kaum ausdehnen. Durch die ungünstige Position des Mageneinganges können Pferde sich nicht erbrechen oder aufstoßen, wenn es zu einer Gasbildung oder Magenüberladung kommen sollte. Anatomisch nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Gase nach oben steigen und diese dann im Blindsack landen, der keinen für Gase passenden Ausgang hat. Kommt es zu einer Aufgasung in diesem Bereich, ist dies für das jeweilige Tier sehr schmerzhaft und es sollte direkt Abhilfe geschaffen und ein Tierarzt zu Rate gezogen werden.

Der Dünndarm:

Der Dünndarm ist verantwortlich für die enzymatische Verdauung. Hier werden im Optimalfall 95 % der Stärke, 65 % des Eiweißes und 90 % des Fettes resorbiert. Im ersten Abschnitt des Dünndarms werden die Verdauungssäfte von Galle und Bauchspeicheldrüse eingespeist und neutralisieren den sauren Mageninhalt.
Info: Pferde produzieren täglich 30 – 35 l Bauchspeicheldrüsen-Saft, der Mensch hingegen nur 1 – 2 l.

Mögliche Schwachpunkte:
Probleme ergeben sich wenn die Stärkeverdauung gestört ist oder zu viel Stärke (z. B. Kraftfutter oder junges Gras) gefressen wurde, die nicht genug Zeit hatte verdaut zu werden.

Dies führt zu einem pH-Abfall im Dünndarm und erzeugt im weiteren Schritt eine Gasbildung. Die Folge davon ist eine Kolik.

Wenn es zu einem Übertritt von unverdauter Stärke in den Dickdarm kommt, führt dies auch dort zu einem starken pH-Wert-Abfall und in der Folge zu Gasbildungen, die ebenfalls in einer Kolik enden können.

Eine zu schnelle und hohe Aufnahme von Stärke
(z. B. von jungem Gras) kann eine Kolik auslösen.

Der Blinddarm:

In dieser Gärkammer werden ansonsten unverdauliche Pflanzenteile, die bisher noch nicht verdaut wurden, mithilfe von Mikroorganismen, auch Darmflora genannt, zerlegt und resorbiert. Die Darmflora ist extrem wichtig für eine ordentliche Verdauung. Bei der Zerlegung der Pflanzenteile kommt es natürlicherweise zu einer Gasbildung, daher befindet sich über dem Futterbrei im Blinddarm eine Gasblase. Die normale Verweildauer des Nahrungsbreis im Blinddarm von Pferden beträgt 15 – 20 Stunden (bei einer Gesamt-Verweildauer im Dickdarm von 34 – 46 Stunden).

Mögliche Problemstellen im Blinddarm:

Eine Blinddarmverstopfung:
Durch eine zu geringe Darmbewegung (z. B. durch Bewegungsmangel oder Wurmbefall), einem zu geringen Wassergehalt des Futterbreis oder bei Sandfressen kann es im Blinddarm zu einer Ansammlung von Nahrungsbrei kommen, der nicht wieder hinaus geschoben werden kann. Es kommt zu einer Verstopfung des Blinddarms. Dies äußert sich zu Beginn oft nur durch leichte Koliksymptome und Fressunlust.

Im Vergleich zu anderen Tierarten ist der Blinddarm extrem vergrößert und hat sogar ein größeres Volumen als der Magen. Bei Pferden ist der Blinddarm ca. 1 m groß und fasst ca. 33 l. Im Vergleich dazu: der Mensch hat einen Blinddarm von 20 cm Länge und einen Durchmesser von ca. 6 mm.

Der Dickdarm:

Der Dickdarm ist auf eine optimale mikrobielle Zellulose-Verdauung spezialisiert. Dafür benötigt er große Gärkammern, in denen Zellulose mithilfe von Bakterien zerlegt werden kann. Dies geschieht im Dickdarm und stellt für die Kategorie der Dickdarmverdauer den wichtigsten Bereich der Verdauung dar. Der Dickdarm des Pferdes hat ein Fassungsvermögen von bis zu 180 l. Im Dickdarm werden Wasser und Nährstoffe resorbiert und der Verdauungsbrei eingedickt. Im letzten Abschnitt des Dickdarms entstehen dann die typisch geformten Pferdeäpfel und werden anschließend ausgeschieden.

Mögliche Problemstellen im Dickdarm:

Im Bereich des Dickdarms kann es zu verschiedenen Koliken kommen. Auslöser für eine Kolik ist sehr häufig eine zu starke Gasbildung. Die kann dazu führen, dass ein Bereich des Dickdarms durch die entstandenen Gase nach oben geschoben wird und sich anschließend mit anderen Teilen des Darms „verschlingt“. Durch eine sogenannte Darmverschlingung werden Bereiche abgeklemmt und nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Dies führt rasch zu einem Absterben der betroffenen Darmregionen und kann für das Tier tödlich enden. Hier ist schnelle Hilfe durch einen Tierarzt gefragt – häufig kann das Tier nur noch durch eine OP gerettet werden.
Durch eine übermäßige Gasbildung kann es weiterhin zu einer Überdehnung der Dickdarmwand kommen. Dies kann dazu führen, dass die Peristaltik, also die Darmbewegung, die den Futterbrei im Darm weitertransportiert, nur noch beeinträchtigt funktioniert oder im schlimmsten Fall gänzlich erliegt. Dies führt zu einer Verstopfungskolik und kann zu einem Kreislaufzusammenbruch führen.

 

Literatur:

  • Lehrbuch der Anatomie der Haustiere, Nickel, Schummer, Seiferle 1975
  • Lehrbuch der anthroposophischen Tiermedizin, Jörg Spranger 2007
  • Anatomie und Physiologie der Haustiere, Klaus Loeffler 1981

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Artikel von Karen Klein
M. Sc. Agrarwissenschaften
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